Wie viel Patina darf es denn sein?

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Mr. Hobbs
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Wie viel Patina darf es denn sein?

Beitrag von Mr. Hobbs » So 11. Feb 2007, 22:08

Hallo allerseits,im aktuellen Heft der Oldtimerpraxis ist ein interessanter Artikel über die Möglichkeiten (und Grenzen) der Aufbereitung von altem Originallack. Es hat mich gefreut, dass stark für den Erhalt des Originallacks plädiert wurde, auch wenn das zwangsläufig nicht ganz perfekt oder sogar nach Mängeln aussieht.Daher meine Frage: wie war es bei der Restaurierung/Instandsetzung Eurer Fahrzeuge? Welche optischen (selbstverständlich keine technischen) "Mängel" habt Ihr beseitigt, welche gelassen?Ich denke da an die Bereiche Lack, Innenausstattung, kleine Abweichungen vom originalen Zubehör.Folgendes aus meiner eigenen Erfahrung: Ich habe einen A-Kadett, der vom Vorbesitzer bereits restauriert wurde (und mit einer perfekten Neulackierung versehen wurde) mit einer wirklich gut erhaltenen Innenausstattung, insbesondere Sitze. Der Himmel hat an ein paar Stellen die Opel-typischen Verfärbungen, bedingt durch den Kleber, der sich wohl durchgedrückt hat, und der Originalteppich ein paar geringe Abwetzungen, wo er eben am meisten beansprucht wird.Aber ich finde, gerade das macht seinen Charme aus, man sieht, dass der Wagen aus einer anderen Zeit stammt, die Sachen sind nicht mehr neu, aber schön erhalten mit kleinen Gebrauchsspuren.Ein weiteres Beispiel: Ich habe noch einen Ovalkäfer, den seine Vorbesitzerin bis zu ihrem Tod behalten hatte (2006 waren das 50 Jahre). Allerdings war vieles nicht nur gebraucht, sondern verbraucht, im günstigsten Fall stark verdreckt bzw. durch die Zeit total schmuddelig.Beide Lehnen der Vordersitze waren an den Aussenkanten stark abgewetzt, bedingt durch sehr starre Zweipunktgurte, die wohl bereits sehr früh nachgerüstet worden waren,, die Sitzflächen selbst waren stellenweise abgescheuert oder löchrig und ausgefranst; auch Himmel und Verkleidungen waren ziemlich eingeschmuddelt und z.T. löchrig.Fast der gesamte Teppichboden im Fahrgastraum war hinüber, weil der Wagen durch Rostlöcher auch feucht geworden war und auch noch entsprechend muffig roch.Für manche ist das vielleicht schon eine hygienische Frage, sie wollen den Muff, der da zwangsläufig drinsteckt, los sein und deshalb wird alles radikal rausgeworfen.Den Himmel und die gesamte Innenausstattung habe ich in mehreren Durchgängen gereinigt. Die Polster, insbesondere die Rückbank wurden wirklich sauber und frei von Flecken; beim Wollstoff von Himmel und den Seitenverkleidungen muss man arg aufpassen, damit man den noch vorhandenen Flausch nicht komplett herunterreibt.Für den Teppich vorne habe ich selbst Ersatz nach den vorhandenen Teilen zugeschnitten und ihn einfassen lassen; und zu Weihnachten habe ich mir 2 neue Bezüge für die Vordersitze nähen lassen (Nachfertigung des Originalstoffs konnte ich bekommen). Die Teppich-Verkleidungen hinter der Rückbank konnten gerettet werden, das Material, was ich vorne reingemacht habe, passt optisch ganz gut.Mir ging es darum, dass der Wagen innen einfach ordentlich und nicht verbraucht und vergammelt aussieht, aber dass er trotzdem Spuren seines Alters behalten darf. Der Lack ist sowieso mittelmäßig, aber nicht katastrophal schlecht. Der Gesamteindruck ist einfach "urig", der Wagen hat aber die H-Zulassung erhalten.Diese sterilen Komplettrestaurierungen, bei denen wirklich alles, was Gebrauchspuren hat, gegen neues ausgetauscht wird, finde ich nicht erstrebenswert.Beste GrüsseChristoph

bob
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Beitrag von bob » So 11. Feb 2007, 22:51

Wenn man bedenkt,dass Replikas oder "neu aufgebaute" Fahrzeuge künstlich patiniert, sprich mit Sandpapier und Lötlampe gealtert werden, oder Karosserieteile über ein Jahr vergraben werden,um sie auf alt zu trimmen,so zeigt das die Tendenz weg von der sterilen "amerikanischen" Q-Types- Aufbereitung.Diese Mittel sind natürlich mehr als diskutabel.Was aber gibt es Vernünftigeres und Erstrebenswerteres als ein Auto mit möglichst vielen Originalteilen in einen Zustand zu versetzen,in dem er sich bei durchgehender guter Behandlung eigentlich befinden müsste.Was wäre ein gelifteter John Wayne....?Mir persönlich sind "top restaurierte" Autos "im Originalzustand" ein Greuel......(ich weigere mich, "Gräuel" zu schreiben)Diese Art des Arbeitens spiegelt mir viel zu sehr den Jugendwahn unsrer Gesellschft wieder ("eine zweite Jugend für den Oldie" bahhhhhh), das Anbeten des Glatten,Glänzenden,Knitterfreien, Netten,Oberflächlichen ........Es ist natürlich viel mehr Geschmack und Sensibilität vorausgesetzt, eine solche Restaurierung zu unternehmen als blind zu erstezen und drei Schichten Klarlack über den Kadaver zu blasen......

Derby special
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Beitrag von Derby special » So 11. Feb 2007, 23:26

Die meiner Meinung nach besten Definitionen der diversen Zustands - bzw. Wiederherstellungs- bzw. Reproduktionsionsstufen bei klassischen Automobilen ( in diesem speziellen Buch auf Rennfahrzeuge bezogen, aber m.E. auf alle Autos anwendbar ) hat Denis Jenkinson in diesem Buch vorgegeben :http://cgi.ebay.co.uk/ws/eBa...03&fromM ... =trueSeine Ausführungen und Erklärungen sind sicher heute , knapp 20 Jahre nach Erscheinen des Buches, manchen Leuten ein Dorn im Auge, vor allem, da seitdem einige der von ihm beschriebenen Reproduktionen inzwischen schon lückenlose Historien mit alter Patina aufweisen können.Gruß,Ralf

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Beitrag von bob » So 11. Feb 2007, 23:40

Was ich vorher nicht erwähnt habe,weil es mir eigentlich selbstverständlich erscheint ,ist ein möglichst perfekter Zustand der Technik;und so ein bisschen "zeitgemäßes Feintuning" (Hinzufügen eines kleinen Roots-Gebläses oder zumindest Umrüstung auf 3 HD8-SU- Vergaser )ist für mich kein Stilbruch......Beitrag geändert:11.02.07 22:48:22

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Beitrag von Derby special » Mo 12. Feb 2007, 10:49

Was die Patina angeht - am schlimmsten finde ich totrestaurierte Rennfahrzeuge, sieh auch die div. Auto Union Replicas oder die ganzen Mercedes Silberpfeile mit Hochglanz-Mehrschicht-Neuwagen Metalliclackierung - die haben einfach nichts Authentisches mehr - egal ob echt oder Facsimilie - und shen damit leblos aus, wie so manche Pebble-Beach Museumsleiche, welche dann beim ersten Rollen alle 550m technisch überholt werden muss.Immerhin, man muß Daimler-Chrysler wenigstens zugutehalten, daß die Autos unter der Haube und z.T. im Innern noch halbwegs benutzt/real/authentisch aussehen.Gruß,Ralf

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Beitrag von Old Cadillac » Mo 12. Feb 2007, 14:57

Patina ? Verboten, zumindest wenn man ein H-Kennzeichen in Zukunft haben will ( sofern ich der mittlerweise etwas verwirrenden Diskussion richtig gefolgt bin ).GrüßeTom

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Beitrag von Frank the Judge » Mo 12. Feb 2007, 15:10

Zitat:Original erstellt von Mr. Hobbs am/um 11.02.07 21:08:13Daher meine Frage: wie war es bei der Restaurierung/Instandsetzung Eurer Fahrzeuge? Welche optischen (selbstverständlich keine technischen) "Mängel" habt Ihr beseitigt, welche gelassen?Das Auto war ursprünglich silber, aber im Wahn der 70er jahre, wo alles schöne überdeckt werden mußte, wurde das Auto auf kackbraun umgetauft. Zusätzlich hat noch jede Karosseriesicke einen Hauch von Gold bekommen...Da mußte ich alles runternehmen und von Dupont den silbernen Lack nachmischen lassen. Leider nach der neuen Formel. Letztes Jahr stand mein Wagen neben einem mit der originalen Lackierung - der Farbton stimmt zwar, aber die "Haptik" ist meilenweit entfernt. Das war schon fast beschämend und wirkte wie so ein Boyd-Coddington-Hot-Rod-Klon-Verschnitt. Der Teppich wurde irgend wann mal durch einen hochflorigen aus dem Praktiker-Heimwerkermarkt ersetzt. Den durfte ich auch wieder rückbauen. Leider gibt es für meine Marke keine guten Hersteller von Replica-Teppichen. Werde irgend wann mal, wenn ich gute Rohware finde, die dem Original entspricht, den Sattler kontaktieren.Die Ledersitze sind original von 1963. Haben schöne Sitzfalten und keine mechanische Zerstörung. Ebenso das Armatuerenbrett und die Instrumente. Ich war froh, das so lassen zu dürfen.

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Beitrag von Derby special » Mo 12. Feb 2007, 15:26

Zitat:Original erstellt von Old Cadillac am/um 12.02.07 13:57:12Patina ? Verboten, zumindest wenn man ein H-Kennzeichen in Zukunft haben will ( sofern ich der mittlerweise etwas verwirrenden Diskussion richtig gefolgt bin ).GrüßeTomIch fürchte, da bist Du auf der richtigen Spur - jetzt ist mir auch klar, warum die Geschichtsbewahrer der Automobilfirmen mit gutem Bespiel vorangehen und Ihre Besitztümer auf Neuwagen trimmen ( ist auch so ein toller Satz bei einer Beschreibung eines automobilen Klassikers -"Besser als neu!" - wird meist mit grosem Besitzerstolz vorgetragen ). Gruß,Ralf

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Beitrag von Old Cadillac » Mo 12. Feb 2007, 18:04

Hi Ralf,na ja, wobei ich fast glaube, daß denen das finaziell ziemlich egal sein kann ob die nun ein H-Kennzeichen bekommen oder nicht. Im Zweifel kommt ein o6er dran und das war es dann.Die Leidtragenden sind mal wieder die Ottonormaloldtimerfans die sich eben keine Top-Restaurierung leisten können. Als Fußtritt gibt es dann eben noch die Nichtanerkennung des H-Kennzeichens. Danke Politik !GrüßeTom

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Beitrag von Umweltsünder » Mo 12. Feb 2007, 18:05

Hallo zusammen,also ich denke das eine gewisse Patina den Charakter eines Oldies/Youngtimers erst ausmacht. Dazu kommt, das es bei vielen gerade Youngtimern den tatsächlichen Wert des restaurierten Wagens oft überschreiten würde, würde man ihn einer Totalrestauration unterziehen. Ich habe vor 3 Jahren in Frankreich einen Citroen CX 2400 Pallas Bj. 79 vor dem Schrotter gerettet und viel Arbeit und Mühe aufgewendet ihm die Zeichen seiner fast 30 Jahre zu erhalten (originale Aufkleber, hier und da eine kleine Beule oder ein leichter Kratzer...). Natürlich waren auch einige Arbeiten an der Aussenhaut zu tun, und leider bin ich auch nicht drumhingekommen, einige Stellen lackieren zu müssen. Aber mit etwas Mühe und Geduld hat der Lackierer es geschafft, den Originalen Lackton (der zu dem noch ziemlich Verwittert war) so anzumischen das man so gut wie keinen Unterschied sieht. Sicher wäre es einfacher (wenn auch ungleich teurer) gewesen, den ganzen Wagen neu zu lackieren, aber das wäre unglaublich schade gewesen und hätte dem Wagen viel von seinem Charme genommen. Nicht zu vergleichen mit so einem Totrestaurierten Ausstellungsstück... Denn die Frage die sich dabei auch stellt, ist, was soll denn die Erhaltung von Oldtimern der Umwelt/Nachwelt zeigen? Das reine Objekt Auto oder die Geschichte die damit zusammenhängt? Und gerade die Geschichten, die oft mit der Wiederbelebung solcher Fahrzeuge zusammenhängen, sind oft sehr spannend und interessant.grusschristian

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