Hi, Eintopf (ich finde dieses Pseudonym absolut scharf!!!)Ich habe ja früher immer gesagt:"Wenn ich es erklären könnte, dann wäre es keine richtige Faszination mehr." Aber doch kann ich Dir einige Gründe nennen, warum mich diese Fahrzeuge seit über 10 Jahren faszinieren und ausgiebiger beschäftigen, als jedes andere Interessengebiet auf dieser Welt. Manches im Folgenden steht für die Leichenwagenfahrergemeinde insgesamt, manch Anderes ist hingegen meine ganz persönliche Sicht der Dinge.And here we go:Bestattungskraftwagen (kurz: BKW) sind i.d.R. Einzelstücke oder Kleinserienfahrzeuge, die in traditioneller Karosseriebaukunst auf Großserien-PKW-Chassis gefertigt werden. Sie werden zumeist nach Kundenwunsch und -auftrag gebaut. Das bedeutet: Du siehst auf einem Treffen z.B. 10 MB W 123 BKW, aber höchstwahrscheinlich nicht zwei gleiche Aufbauten. Verschiedene Hersteller, verschiedene Details wie Heckklappen (einteilig, zweiteilig, groß, klein), Hecktüren (eine, zwei, mit oder ohne Verglasung...), Dachformen (Vinyl, Strukturlack, Hochdach, Kombidach, Dachgalerie, Zierleisten...), Scheibenformen (kurz, lang, mit eingeätzten Palmwedeln, mit Aufklebern, mattiert oder Klarglas) etc. etc. Es ist ein Interessengebiet, bei dem Du niemals alles kennen wirst; nie an die Grenzen stößt.BKW sind die wohl würdevollsten Nutzfahrzeuge auf dieser Welt. Sie sind elegant, verleiten zum gedämpften und pietätvollen dahingleiten - und strahlen für mich durch ihr sakrales Erscheinungsbild eine friedliche Ruhe aus (nicht lachen - war absolut ernst und nicht ironisch gemeint). Hektik und Raserei würden mir am Steuer meiner Autos nicht einfallen! Jeder einzelne für sich ist absolut selten (Meine: Rappold 6 x gebaut, Welsch Einzelstück, Pilato auch Einzelstück).Klar gibt´s auch sachliche Argumente, die für mich aber ganz ehrlich nette Nebeneffekte, nicht aber echte Beweggründe sind: BKW sind preiswert (LKW oder So.KFZ), geräumig, haben respektable Nutzlasten, fallen auf dem Parkplatz auf (ohne daß man sein Auto am Nummernschild erkennen muß) und Menschen mit gepflegten Vorurteilen (Satanisten! Perverse! Was weiß ich...) halten in der Regel Abstand und ersparen mir niedere Grundsatz- bzw. Horizontgespräche (Die, die es ernsthaft wissen wollen, wie Du hier, Eintopf, die fragen dann doch und haben selbstverständlich ein Recht auf Information. Diese Leute kommen aber üblicherweise nicht mit den blöden Standardsprüchen, die jeder Leichenwagenfahrer wohl ausreichend kennen dürfte...).Es ist sicherlich auch ein Stück weit die Faszination des Ungewöhnlichen oder der Individualismus. In Deutschland wird der Tod stets verschwiegen und verdrängt - obwohl er zum Leben dazugehört, wie die Geburt. Ich habe keinen Grund, vor Toten Angst zu haben - nur vor Lebenden!

Wer sich mit der Bestattungskultur befaßt, wird schnell feststellen, daß dies weitaus mehr bedeuten kann, als Angst, Schrecken, Trauer und Zerissenheit.Ich ignoriere die Pietät nicht, sondern fühle mich als ihr Verbündeter - oder sagen wir "Beauftragter". Den Tod habe ich nicht zum Feind, sondern ihn als Weggefährten aufgenommen, der allgegenwärtig ist. Und doch bin ich ein sehr lebenslustiger Mensch, der keine Todessehnsüchte oder überdurchschnittlich abstrakte Phantasien etc. pflegt.Wer auf einem Oldtimertreffen mal das Gespräch mit einem "Schwarzfahrer" (so nennen wir uns) sucht, wird feststellen, daß viele Klischees sehr, sehr weit hergeholt sind.Heute werden Verstorbene nur allzuoft mit würdelosen VW Transportern (Sargschlitten ´rein, Gardinen vor die Fenster - fertig!) abtransportiert. Diese geradezu pervers und respektlos auf das Wesentliche reduzierte Form menschlicher "Discount-Entsorgung" hat nach meiner Ansicht Niemand verdient. Daher tue ich meinen Beitrag dazu, die klassischen, würdevollen, eleganten, pietätvollen Bestattungslimousinen zu Erhalten, die eine Hommage und ein Ausdruck des Respektes vor den Verstorbenen darstellen, die mit ihnen gefahren werden.Gothic und Gruftidasein? Zugegeben: irgendwie schon. Doch hat das nix mit Satanismus, Hühnerblut trinken, Katzen schlachten oder sämtlichem vergleichbaren Quatsch zu tun! Und bei Weitem sind nicht alle Schwarzfahrer auch "Gothics"!Bürgerschreck? Hm - ist nicht mein Anliegen, doch gebe ich zu, daß es mir manchmal ganz angenehm ist, durch mein Auto und mein leicht finsteres Äußeres die überflüssigen Gesprächsparner von denen zu filtern, die nicht oberflächlich sind

Ich möchte Niemanden verletzen, auch wenn ich weiß, daß dies manchmal ungewollt passiert. Aber ein Berufsbestatter fährt auch mit seinem Auto umher... Mein Verständnis hört da auf, wo aus einem Leichenwagen was ganz Anderes (Wohnmobil, Heavy-Metal-Bierkasten-Mobil, Bandbus, Halloween-Dracula-Showcar etc.) gemacht wird. Es sind Bestattungswagen und genau das sollten sie meiner Meinung nach auch bleiben.Oft wird gefragt, ob ich in meinen Autos schlafe.... Ja, klar! Aber ohne dies zum Kult zu erklären. In meinem alten Golf Diesel habe ich seinerzeit auch geschlafen, wenn die Situation es erforderte. Heute habe ich nur Bestattungswagen (+ einen Krankenwagen) - also schlafe ich auch darin, wenn ich auf ein Treffen oder sonstwohin fahre. Und ich fühle dabei nix mehr oder weniger, als damals im Golf. That´s it.Das war nun ein recht langes Plädoyer, aber wenn sich jemand wirklich dafür interessiert, dann hat er es verdient, daß man sich ihm nicht zwischen Tür und Angel widmet. Stehe gerne für weitere Informationen für alle Leser zur Verfügung.Mit freundlichem GrußIngo Marx, Bestattungswagen-Literaturarchiv(Archivar und Internet-Beauftragter der 1985 gegründeten IG zur Erhaltung historischer Bestattungsfahrzeuge)